Ist es wichtiger, dass die Welt mich versteht oder ich die Welt? Bin überzeugt, meine Gedanken und Einschätzungen sind nicht so gehaltvoll, dass diese die Welt weiterbringen würden. Die Welt ein klein wenig verstehen, würde ich jedoch sehr gerne. Vielleicht nicht in ihrer ganzen Komplexität, aber die gesellschaftsrelevanten Fragen sind mir schon wichtig. Also versuche ich, mich zu informieren – nicht nur über ein Medium oder einen Kanal. Doch immer häufiger frage ich mich, ob so mancher Informations-Auftrag noch ernst genommen wird oder ob es dem Autor wichtiger ist, seine (Ein)Bildung zu zeigen. So musste ich erst gerade eben beim Lesen – eines im Grunde interessanten Artikels – feststellen, ich bin aller Wahrscheinlichkeit nach entweder komplett ungebildet oder frauenfeindlich. Der Grundton des Geschriebenen versetzte mir dahingehend eine Watsche nach der anderen. Tja, doof geboren, nichts dazugelernt und die Hälfte wieder vergessen. Mir sagte das schöne Wort „misogyn“ so gar nichts. Auch aus dem Zusammenhang erschloss sich der Begriff zunächst nicht. Und damit hätte mir wieder ein kleiner Weltverständnisbaustein gefehlt. Wobei es doch so einfach gewesen wäre. Sprache verbindet. Doch noch viel mehr trennt sie. Und ganz ehrlich, oft genug nutze ich das auch (aus).
Jetzt sitzen wir schon beinahe eine Viertelstunde hier und haben immer noch nichts zu trinken. Wir konnten noch nicht bestellen, weil es in dem ganzen Laden wohl nur eine Bedienung gibt und die hat so viel zu tun, dass sie noch nicht bis zu unserem Tisch vorgedrungen ist. Ich habe sie noch nicht einmal gesehen.
Wieder holen mich Bilder ein, die ich wohl nie aus meinem Kopf und meiner Erinnerung verbannen kann. Ankunft Flughafen Mexiko-City. Wiedersehen. Die Kehle wird trocken, es ist keine Umarmung auf die ich seit drei Monaten gewartet habe.
Jeder Morgen beginnt mit diesem Ritual. Erst einige Kilometer mit dem Auto zur nächsten S-Bahn-Haltestelle und von dort weiter zur Arbeit. Inzwischen habe ich es richtig liebgewonnen, knapp eine Stunde unterwegs zu sein. Sich anonym in der Masse bewegen zu können, ohne allein zu sein. Es bleibt genug Zeit, Gedanken nachzuhängen, die aus dem übrigen Alltag verbannt sind. Zum Teil, weil sie zu banal, zum Teil, weil sie zu abstrus sind. Oder wann denkt man sonst darüber nach, weshalb man sich ausgerechnet moosgrüne Schuhe gekauft hat.
Gestatten, Winfried – der geborene Looser. Nein, das ist keine Hunderasse; ich bin nämlich ein waschechter Bastard; ein Straßenköter eben. Ich glaube, meine Mutter ist ein Beagle und mein Vater ein Windhund. Deshalb sind sie wohl auch nicht mehr zusammen. Obwohl meine Mutter immer noch behauptet, er sei erst gegangen als er mich gesehen hat. Und wer glaubt, Winfried sei ein blöder Name für einen Hund, der mag durchaus Recht haben. Trotz dieser Eigenarten bin ich doch ein ganz normaler Hund – liebenswert und vor allem treu.
Ein Stück vor mir, sehe ich Frau Kollmann, die in der selben Straße wie meine Eltern wohnt, an der Bushaltestelle stehen. Offensichtlich hat sie den Bus verpasst. Obwohl ich lieber alleine weiterfahren würde, halte ich an und mach’ die Beifahrertüre auf: „Hallo Frau Kollmann – kann ich Sie ein Stück mitnehmen?“
Ein runder Geburtstag stand an und zunächst wusste ich nicht, ob ich diesen überhaupt feiern will. Falls ja, in welcher Form? Und – bei solchen runden Geburtstagen lassen sich die Gäste kaum davon abhalten, etwas mitzubringen. Selbst dann, wenn man ausdrücklich darauf hinweist, man wolle keine Geschenke. Ich denke, vielen geht es ähnlich wie mir. Mangels Alternativen läuft es am Ende oft auf Gutscheine oder Geldgeschenke hinaus. Das ist aber auch nicht so meins. Was tun also?
„Guten Abend, Herr Albrecht.“ „Guten Abend.“ „Schönmüller mein Name, ich bin der neue Bezirksdirektor Ihrer Versicherungsgesellschaft. Wie Sie sicherlich mitbekommen haben, ist der Herr Wedemann in den wohlverdienten Ruhestand gegangen und daher möchte ich mich bei Ihnen vorstellen.“ „Ja ...“ „Hätten Sie übermorgen, so gegen 18.00 Uhr kurz Zeit, dann würde ich mal vorbeischauen?“ „Mhh, übermorgen ist schlecht, da komme ich erst später aus dem Büro.“ „Wie sieht´s in der kommenden Woche aus, am 12.6. um 19.00 Uhr?“
Gedankenverloren schlendere ich nachhause. Mein Blick schweift umher und bleibt doch immer wieder an gleicher Stelle hängen. Wahlkampfplakate in Reihe. Jedes Konterfei will noch überzeugender in die Zukunft grinsen als das vorhergehende.
Mir fällt auf, dass mein Autoradio gar nicht läuft. Vor ein paar Minuten habe ich es ausgemacht, weil vor den Nachrichten immer Werbung kommt. Und Radiowerbung ist meist noch schlimmer als zähnebleckende TV-Zahnarztfrauen.
Hinter mir wird gehupt und ich merke, zwischen meinem und dem Wagen vor mir klafft eine Lücke von mehreren Metern, die es schleunigst zu schließen gilt. So einfach kann es sein, seinen Mitmenschen das Gefühl zu geben, dass es weitergeht.
Die Realität übertrifft nur allzu oft jegliches Vorstellungsvermögen. Schon bei den banalsten Dingen. In meiner Kindheit konnte ich noch in den Blumenladen gehen und ehrliche Sträuße kaufen. Das ist heute ein Ding der Unmöglichkeit.
Unabhängig vom Beruf, der ästhetischen Vorbildung oder sonstigen Freizeitinteressen – ich kann Ihnen das als Zeitvertreib nur empfehlen. Sie werden einen Heidenspaß dabei haben: Während Ihrer Fahrten mit dem Auto LKW-Planen bestaunen.