Gestatten, Winfried – der geborene Looser. Nein, das ist keine Hunderasse; ich bin nämlich ein waschechter Bastard; ein Straßenköter eben. Ich glaube, meine Mutter ist ein Beagle und mein Vater ein Windhund. Deshalb sind sie wohl auch nicht mehr zusammen. Obwohl meine Mutter immer noch behauptet, er sei erst gegangen als er mich gesehen hat. Und wer glaubt, Winfried sei ein blöder Name für einen Hund, der mag durchaus Recht haben. Trotz dieser Eigenarten bin ich doch ein ganz normaler Hund – liebenswert und vor allem treu.

 

 

 

 Wenn ich hier so sitze, denke ich oft an die Zeit zurück als ich noch bei meiner Familie war. Eigentlich waren es gar keine so schlechten Menschen. Sie haben mich zwar an der Autobahn ausgesetzt, aber immerhin haben sie mir noch ein Schildchen mit meinem Namen um den Hals gehängt. Allerdings ärgert es mich schon ein wenig, dass so viele Leute anhalten, ganz ergriffen auf mich zurennen, und sobald sie meinen Namen lesen auf dem Absatz kehrt machen. So schlimm finde ich Winfried nun auch wieder nicht. Beim nächsten werde ich auch keine Freude mehr zeigen und meinen Außenborder anwerfen.

 

 

 

 

Mein bester Spielkamerad war Hendrik, der kleine Sohn von Herrchen und Frauchen. Mit ihm bin ich aufgewachsen. Ein aufgewecktes Teufelskerlchen. Zu den Zeiten als er sich auch noch auf allen Vieren bewegte, schlich er sich immer dann, wenn ich meinen Kopf im Napf hatte, von hinten an mich heran und steckte mir heimlich seinen Schnuller zu. Er wusste wohl noch nicht, dass es immer das falsche Ende war. Und obwohl ich den Schnuller sofort dahin zurücksteckte, wo er eigentlich hingehörte, waren alle stinksauer auf mich.

 

 

 

 

Ja, meine Familie hat mich wohl von Anfang an ins Herz geschlossen. Bereits als Welpe haben sie viele tolle Spiele mit mir gemacht. Manchmal wurde es mir beinahe zu viel. Als ich dann größer wurde, wollten sie mir das Schwimmen beibringen und das gleich unter erschwerten Bedingungen. Das war ja wirklich lieb gemeint, doch ich kann ja bereits seit der Geburt schwimmen und zwar richtig gut. Als sie dann feststellten, dass ich selbst im Tauchen ganz gut bin, haben sie richtig enttäuscht dreingeschaut. Aber soll ich mich verstellen und so tun als ob ich gleich absaufen würde, nur damit sich meine Familie freut und denkt, sie könnten mir noch was beibringen? Ich bin manchmal einfach zu ehrlich.

 

 

 

 

Tja und weil das mit dem Schwimmen besser klappte als erwartet, haben sie mich dann in ihr Aquarium gesteckt. Vermutlich wollte meine Familie einen Seehund aus mir machen und mit mir im Zirkus auftreten. Die Manege hätte mich schon gereizt: Winfried, der große Balancekünstler. Doch selbst nach zwei Wochen zeigten sich noch nicht die kleinsten Ansätze von Schwimmhäuten. Nach einer weiteren Woche bin ich dann so aufgedunsen, dass ich das Aquarium sprengte. Oh, oh, oh – da gings aber kurz rund. Naja, so hatten wir doch noch unseren Zirkus.

 

 

 

 

Ach, mit Hendrik hatte ich wahnsinnig viel Spaß. Gleich seine erste große Rakete, die er bekam, hat er mit mir geteilt. Vermutlich weil ich Pluto so klasse finde; nur eben nicht diesen kleinen, blöden, weit entfernten Planeten. Obwohl ich angeschnallt war, hielt ich es für ziemlich gefährlich – ohne Helm. Später fand ich den wahren Grund für den Ausflug ins All: In Hendriks Zimmer lagen zwei Bücher herum. Das eine hieß „Rocket Man“ und das andere war ein Bildband über Flughunde.

 

 

 

 

Nach meinem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre kam Hendrik auf die geniale Idee aus der Situation das Beste zu machen. Er steckte mich – glühend heiß wie ich war – in ein Brötchen und pries mich als größten Hotdog der Welt an Der Eintrag ins Guiness Buch scheiterte allein daran, dass Hendrik auf die Schnelle nicht das richtige Brötchen auftreiben konnte. Kurze Zeit später wollte meine Familie mich einschläfern lassen, weil sie glaubten, ich hätte einen Hirntumor aus dem All mitgebracht. Doch der Tierarzt stellte fest, dass es Gott sei Dank nur Ketchup-Reste waren, die mir da aus dem Ohr flossen. Daraufhin tuschelte Herrchen kurz mit dem Tierarzt, doch der schüttelte energisch den Kopf. Wahrscheinlich wollte Herrchen nur wissen, ob ich jetzt schlechter hören würde.

 

 

 

 

Im Nachhinein fand ich es dann doch nicht so toll, dass der Tierarzt die Ketchup-Reste in meinen Ohren gefunden hat. Frauchen und Hendrik waren sich einig, dass ich eine gründliche Wäsche nötig hätte. Aber mit einem albernen Waschzuber oder einer Badewanne haben sie zum Glück erst gar nicht angefangen. Ich glaube, sie wussten ganz genau, dass ich das hasse. Die Waschmaschine war dann richtig lustig. Sie erinnerte mich zwar ein wenig an meinen Aquariumaufenthalt, aber es war lange nicht so langweilig. Danach war mir allerdings furchtbar schlecht und vermutlich deshalb hat mich Frauchen so aufgehängt, dass ich mich nicht gleich wieder vollsabbere. Wieder einmal gut gemeint, aber vor der Nachbarhündin war es mir doch ein wenig peinlich, da sie mir genau in den Schritt schauen konnte.

 

 

 

 

Nicht nur meinen Ohren verdanke ich viel Spaß. Nein, auch meiner Nase und meiner Zunge. Da Hendrik genau wusste, dass ich jeden Krümel auf dem Boden fand und er nie Lust zum Saubermachen hatte, schraubte er kurzerhand den Staubsauger auseinander. Anschließend koppelte er einige Teile mit meinen Schnittstellen, wie er sich ausdrückte. Ich wäre wirklich alleine gelaufen; und ich wollte mit meiner Zunge bestimmt auch kein Loch in den Boden brennen, aber Hendrik mußte ja gerade in diesem ungünstigen Moment mit dem Stecker ans Netz gehen.

 

 

 

 

Nein, das war nicht Fasching. Obwohl auch ich das zunächst dachte. Hendrik hatte ständig neue Einfälle, wie er sein Taschengeld aufbessern konnte. So sprach er irgendwann mal einen Bekannten seines Vaters an, ob er nicht wieder mal einen kapitalen Zwölfender schießen wolle. Der gute Mann hatte zwar zunächst seine Zweifel, aber als er mich im Garten im hohen Gras stehen sah, war er völlig begeistert und rannte zu seinem Jeep um seinen Bärentöter zu holen. Doch wie sich herausstellte, war der Gute extrem kurzsichtig. So bekam lediglich unsere Garage ein fußballgroßes Loch ab.

 

 

 

 

Eigentlich könnte ich noch hunderte solcher Geschichten erzählen, denn ab und an hat man es schon richtig übel mit mir getrieben und ich habe immer noch das Gute im Menschen gesehen. Irgendwann macht auch die treueste Hundeseele dicht. Ich glaube, ich hatte damals genug Gründe auszuwandern – erst wollte ich ans andere Ende der Welt nach Australien. Aber mit so kurzen Beinen ist es einfach angenehm, wenn man sich im flachen Gelände bewegen kann. Außerdem habe ich ja schon viel Erfahrung mit dem Wasser gesammelt und da Holland demnächst von der Nordsee überflutet wird, ist es dort sicher auch ganz witzig.