Ein runder Geburtstag stand an und zunächst wusste ich nicht, ob ich diesen überhaupt feiern will. Falls ja, in welcher Form? Und – bei solchen runden Geburtstagen lassen sich die Gäste kaum davon abhalten, etwas mitzubringen. Selbst dann, wenn man ausdrücklich darauf hinweist, man wolle keine Geschenke. Ich denke, vielen geht es ähnlich wie mir. Mangels Alternativen läuft es am Ende oft auf Gutscheine oder Geldgeschenke hinaus. Das ist aber auch nicht so meins. Was tun also?
Als ich schließlich dann doch mal – für den Fall der Fälle – eine Gästeliste zusammenschrieb, fiel mir auf, dass ich all die Menschen, die darauf standen, wirklich gern habe. Aber wie gut kenne ich sie eigentlich? Zu wenig. Gut, dachte ich mir, das eine, nämlich das unausweichliche Beschenktwerden könnte ich doch mit dem anderen, dem etwas besseren Kennenleren, verbinden. Daher schrieb ich auf die Einladung, dass ich mir zwar nichts wünsche, mich jedoch über das jeweilige Lieblingsbuch des Eingeladenen und insbesondere über ein paar Zeilen, warum ausgerechnet dieses Buch das Lieblingsbuch ist, sehr freuen würde. Was soll ich sagen – am Ende kamen 56 Bücher zusammen! Und noch besser, jeder, der mir ein Buch schenkte, schrieb tatsächlich ein paar persönliche Worte dazu. Diese waren zwar nicht immer direkt zu den Büchern, doch in irgendeiner Form mir immer nahegehend. Einen ganzen Sonntagnachmittag habe ich damit verbracht, Bücher auszupacken, Karten, Widmungen, Beschreibungen, Stellungnahmen oder sogar kurze Interpretationen zu lesen. Faszienierend zu sehen, wie unglaublich groß die Bandbreite der vor mir liegenden Bücher war – von Klassikern der Literaturgeschichte, über Sach- und Kochbücher, Kinderbücher bis hin zu Krimis, Fantasy- und Liebesromanen. Die erste Frage, die ich mir stellte: Wie gehe ich beim Lesen vor? Die Bücher, die ich bereits gelesen hatte, stellte ich erst mal nach hinten. Da ich die meisten davon bereits vor einiger Zeit gelesen hatte, werde ich diese sicher nochmal lesen, aber im Moment wollte ich mich auf die neuen stürzen. Reihenfolge? Blind zugreifen? Mir fiel das zuletzt ausgepackte Buch ins Auge, eine Art Lebens-Ratgeber. Jetzt muss ich zugeben, solche Ratgeber schrecken mich komplett ab. Mir kommt es oft so vor, als seien solche Ratgeber für Denkfaule, die ihren eigenen, gesunden Menschenverstand nicht einsetzen wollen. Außerdem dreht sich der komplette Ratgeber oft genug nur um eine einzige, alles erhellende Erkenntnis, die mit zig Aha-Erlebnissen illustriert wird. Mein ehemaliger Deutschlehrer pflegte bei solchen Ausführungen immer zu sagen: „Getretener Quark wird breit nicht stark.“ Und meiner Meinung nach hat er damit bis heute Recht.
Kurz bevor wir zum ersten Mal Eltern wurden und auch noch in den ersten Jahren danach sammelten sich bei uns zuhause Ratgeber zum Thema Kinder und Kindererziehung an. Meine Frau meinte, ich solle doch auch mal darin lesen. „Ich war selbst Kind, wurde erzogen, kenne das Thema also aus erster Hand. Ich weiß noch heute, was gut und was weniger gut bei mir ankam. Meines Erachtens macht mich das genauso zum Experten, wie die Schreiberlinge eines solchen Ratgebers.“ Diese Antwort wurde von meiner Frau akzeptiert. Ich denke, meine Kinder sind – natürlich nur dank meiner Frau und der vielen Ratgeber – so geworden, dass man sie durchaus auf die Menschheit loslassen kann. (Zum Beweis, was man mit solchen Erziehungsratgebern alles erreichen kann, bitte Bild unter dem Menüpunkt „Über“ beachten.)